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Treibhausgasneutrale Fernwärme in Braunschweig

 Im Klimaschutzkonzept 2.0 wird etwa ein Drittel des Endenergieverbrauches für die Wärmeversorgung ausgewiesen. Dazu kommt ein in Deutschland relativ hoher Anteil von 35% [Quelle: Freitag, Podium] der Versorgung mit Fernwärme, was zu folgenden Schlussfolgerungen führt:

„Nur bei einer perspektivisch dekarbonisierten Fernwärme werden die gesamtstädtischen Klimaschutzziele erreicht.“1

„Eine Dekarbonisierung der Fernwärme besitzt ein außerordentlich hohes Potential. Hier könnten bis zum Jahr 2030 bis zu 352.000 Tonnen Treibhausgase (THG) eingespart werden. Die Maßnahme hat damit einen Anteil von 76 % an den bis 2030 insgesamt durch lokale Maßnahmen realisierbaren THG-Minderungen.“2

Es stellt sich also die Frage:
Wie kann eine verlässliche, klimaneutrale und bezahlbare Wärmeversorgung in Braunschweig in Zukunft aussehen?

Wie sieht der zeitliche Horizont aus?

Rechtlich bindend ist das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze3. Es wurde am 17. November 2023 vom Deutschen Bundestag beschlossen und trat zum 1.Januar 2024 in Kraft. Das Gesetz verpflichtet die Länder sicherzustellen, dass auf ihrem Hoheitsgebiet für Großstädte wie Braunschweig bis zum 30.06.2026 Wärmepläne erstellt werden, kleinere Gemeinden folgen. Es setzt auch das Ziel fest, bis zum Jahr 2030 im bundesweiten Mittel die Hälfte der leitungsgebundenen Wärme klimaneutral zu erzeugen. Hinzu kommt die Vorgabe, jedes Wärmenetz bis 2030 zu einem Anteil von 30 Prozent und bis 2040 mit einem Anteil von 80 Prozent mit Wärme aus erneuerbaren Energien oder aus unvermeidbarer Abwärme zu speisen. Neu errichtete Wärmenetze müssen bereits ab dem 1. März 2025 mindestens 65 Prozent erneuerbare Wärme einleiten. Bis 2045 müssen bundesweit alle Wärmenetze klimaneutral sein – es muss dann also 100 Prozent Erneuerbare Energie eingeleitet werden.

Das Land Niedersachsen hat im aktualisierten Klimaschutzgesetz die Erreichung von Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2040 beschlossen, mit Zwischenzielen zur Minderung der Gesamtemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 75 Prozent, bis zum Jahr 2035 um mindestens 90 Prozent, jeweils bezogen auf die Gesamtemissionen im Vergleichsjahr 1990. Die Wärmeplanung lt. §204 soll daher bis zum Jahr 2040 eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung der Gebäude erreichen.

Für Braunschweig bedeutet das konkret : BS|ENERGY ist gesetzlich verpflichtet, bis 2040 100% erneuerbare Wärme anzubieten.

Das Integrierte Klimaschutzkonzept 2.0 der Stadt Braunschweig sieht Treibhausgasneutralität bis „möglichst 2030“ vor. Allerdings stand darin auch, dass BS|Energy vorhabe, bis 2035 treibhausgasneutral zu sein. Das passt offensichtlich nicht zusammen, wenn die Fernwärme den größten Anteil ausmacht.

Fernwärme in Braunschweig

Fernwärme wird vor allem im Heizkraftwerk Mitte erzeugt. Dafür wurden 2024 ein Biomasseheizkraftwerk mit dem Brennstoff Altholz unterstützt von einem Gasturbinenheizkraftwerk in Betrieb genommen. In letzterem könnte zukünftig anstatt Erdgas auch zunehmend klimaneutraler, “grüner” Wasserstoff eingesetzt werden. Daneben gibt es für Spitzenlasten und Ausfälle noch die Heizkraftwerke West, Süd und Nord, die erst vor kurzem von Kohle auf Heizöl umgerüstet wurden.

Bei einer Umrüstung auf Wasserstoff, kann dieser bisher nur anteilig verwendet werden.  Siemens Energy als Hersteller der Gasturbine arbeitet daran, bis spätestens 2030 bis zu 100% Wasserstoff zu erlauben.  Wird zukünftig ausreichend grüner Wasserstoff verfügbar sein? Stand jetzt ist der Anschluss von Braunschweig an das bundesweite Wasserstoff-Kernnetz  bei der Bundesnetzagentur5 bis 2037 nicht vorgesehen.

Bewertung

Laut eigenen Angaben beschließt BS Energy den Status „treibhausgasneutral“ ab dem Jahr 2035 durch einen sogenannten „CO2-Offset“6 erreichen zu wollen.
Das im Klimaschutzkonzept genannte Ziel Treibhausgasneutralität 2035 scheint mit den bekannten Massnahmen nicht erreichbar zu sein.
100% erneuerbare Wärme ist durch BS Energy erst ab 2045 vorgesehen, im Widerspruch zum neuen NklimaG.

Sowohl die Verfügbarkeit, als auch die Kosten für die Verbraucher bei der Nutzung von Wasserstoff für die Fernwärme-Spitzenlast sind also derzeit völlig unklar. Der Einsatz von blauem Wasserstoff, also aus Erdgas hergestellt unter Abscheidung von CO2 ist nur eine Scheinlösung, da auch ,,Carbon Capture and Storage“ (CCS) bisher in Deutschland nicht zulässig ist.  BS|Energy konnte auf Nachfrage bisher keine konkrete Alternativen für den Einsatz von Wasserstoff anstelle von Erdgas nennen. Ein zeitnaher Ausbau von erneuerbaren Wärmequellen wie Geothermie, Nutzung von Großwärmepumpen und die Einspeisung unvermeidbarer Abwärme würden sowohl die Abhängigkeit von Brennstoffen als auch die Versorgungssicherheit der Fernwärmekunden nachhaltig sicherstellen.

  1. IKSK, S.104  ↩︎
  2. IKSK, S.104  ↩︎
  3. Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze: https://www.gesetze-im-internet.de/wpg/ ↩︎
  4. § 20 NKlimaG – Wärmeplanung (aktuelle Fassung ab 1.1.2024) ↩︎
  5. Bundesnetzagentur – Wasserstoff-Kernnetz ↩︎
  6. CO2-Ausgleich erfolgt durch Offsetting an einem anderen Ort und verändert zunächst nicht die eigenen Emissionen, die durch die Nutzung von Energie direkt (Scope 1 und 2) oder den Bezug von Waren und Leistungen indirekt (Scope 3) entstehen.  ↩︎